Buchrezension „Kernstaub – Über den Staub an Schmetterlingsflügeln“ oder warum wir nie aufhören nach uns selbst zu suchen 


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Verfilmungen und Bücher, die auf wahren Begebenheiten beruhen, berühren uns oft auf eine ganz magische Art und Weise von selbst. Noch spannender als solche wahre Begebenheiten, ist aber – zumindest für mich – die Literatur, die zunächst nur kleine, appetitliche Bruchstücke der eigentlichen Geschichte von Kapitel zu Kapitel preisgibt, aus denen dann am Ende ein zusammen gesetztes, wunderschönes und fein gezeichnetes Mosaik entsteht. Marie Graßhoff hat mit ihrem Erstlingswerk „Kernstaub – Über den Staub an Schmetterlingsflügeln“ genau so ein buntes Mosaik geschaffen. 


Auf der Suche nach Erinnerungen


Die weibliche Hauptprotagonistin heißt Mara und wird im Klappentext ganz klar als Störfaktor im System betitelt. Sie ist, auf den ersten Blick, ein ‚normales‘ Mädchen, das gemeinsam mit ihrem Bruder in einem komfortablen Haus mit reichlich Personal lebt. Allerdings ist Mara eine defekte Seele und damit nicht genug, sie ist die Letzte ihrer Art. Schließlich gerät Mara’s Leben alsbald in Schieflage als zwei Fremde auf der Bildfläche erscheinen und sie offensichtlich, auf der Suche nach einer mysteriösen Uhr, verfolgen. Flüchtend vor diesen Wächtern, die den Auftrag haben sie als letzte Seele zu eliminieren, trifft sie auf einen sehr alten Freund, der ihr (schon immer) schützend zur Seite steht, um verloren geglaubte Erinnerungen aus längst vergessenen Zeiten wiederzubeleben und alle Mosaiksteinchen zusammen zu puzzeln. 


Auf der Suche nach dem passenden Genre


Literaturverfilmungen wie ‚Cloud Atlas‘, die verwirrenden Ebenen der ‚Matrix‘ und Zukunftsmusik á la ‚Die Tribute von Panem‘ haben uns gezeigt, dass Dystopien in unserer heutigen Zeit einen hohen Stellenwert in der Literatur- und Medienlandschaft einnehmen. Auch Marie Graßhoff beschäftigt sich mit diesem Thema in ihrem „Kernstaub“-Abenteuer, wobei es schwierig ist ihren Roman tatsächlich einem einzigen Genre zuzuordnen. Elemente aus Fantasy, Science Fiction und der bereits erwähnten Dystopie sind in ihren Zeilen Seite für Seite zu finden. Kunstvoll versteht sie sich darauf verschiedene Zeitebenen miteinander zu verknüpfen und dem Leser so einen Eintritt in ihre selbst erschaffene – teils sehr komplexe – Welt zu gewähren.


„Kernstaub“- Charaktere und die szenische Darstellung


Zu keiner Zeit wirkt die Geschichte eintönig oder verfahren, denn Marie Graßhoff zieht als begabte Puppenspielerin sehr geschickt an den langen Fäden ihrer Charaktere, verbindet sie, trennt sie und lässt zusammen wachsen, was zusammen gehört. Mara ist zu Beginn der Geschichte verschüchtert und lässt sich immer wieder in eine untergeordnete Rolle fallen, was sich jedoch im Laufe der Handlung ändert. Besonders der Erinnerungsprozess, den sie durchläuft, ist sehr gut nachvollziehbar dargestellt und verdeutlicht, warum sie schließlich bereit ist eine Stellung einzunehmen, die sehr viel besser zu ihrem Charakter passt. Die männlichen Protagonisten wirken im Gegensatz zu den weiblichen Kolleginnen eher verbittert und distanziert. Allerdings gibt es auch hier Gründe, die im Verlauf der Geschichte mit verschiedenen Rückblicken in die jeweiligen Vergangenheiten der Figuren sehr logisch erläutert werden. Außerdem muss ich zugeben, dass mir diese harten Typen sehr viel besser gefallen als Weichflöten, die schon bei Nasenbluten in die Notaufnahme eingeliefert werden müssen.

Die Länge des Romans ist für meinen Geschmack absolut kein Problem, auch die vielen, ausschweifenden Beschreibungen haben weder Leselust noch Spannung gemildert. Erst wenn ein Autor seine Figuren so gut kennt, dass sie ihm zu jeder Tages- und Nachtzeit mit tausend Anmerkungen im Kopf herum geistern, dann kann auch das Buch lebendig wirken. Man erkennt hinter ihren Worten und dem sehr bildlichen Sprachstil eine große Leidenschaft für das eigene Projekt. Da gibt es so viel in dieser einzigartigen Welt, was sie erzählen und erklären möchte, dass man sicherlich noch ein paar mehr Seiten hätte füllen können. Diese wandernden Gedankengänge erinnern mich manchmal an die langatmigen Szenenbeschreibungen in „Das Lied von Eis und Feuer“ von George R.R.Martin, was letztlich aber für die Verfilmungen von Vorteil war, um eine präzise Welt getreu dem Buch zu erschaffen.


Motive


Im Mittelpunkt ihrer Erzählung steht wohl die Zerstörung der Erde durch menschliches Wirken. Weltkriege, alles vernichtende Waffentechnik oder Umweltverschmutzung sind Themen, die Marie Graßhoff in ihrem Erstlingswerk aufgreift und damit in vielen Punkten den heutigen Zeitgeist trifft. Auch wenn das Thema ‚Nachhaltigkeit‘ mittlerweile einen weit größeren Personenkreis erreicht, ist das Level eines notwendigen Bewusstseins für unsere Umwelt mit Sicherheit noch nicht erlangt worden. Neben diesen dystopischen Gedanken, finden sich aber auch viele philosophische Ansätze, die den Leser zum Nachdenken anregen. Mit Sicherheit ist „Kernstaub“ keine schlichte Begleitlektüre. Der Leser sollte sich mit Herz und Seele auf den ‚starken‘ Stoff einlassen, um am Ende ganz und gar die Intention hinter den Rätseln und Geheimnissen, die Marie Graßhoff im Laufe des Buches streut, zu verstehen. Bereits der Titel wirft einige Fragen auf. Was oder wer ist Kernstaub? Was hat das Ganze mit Schmetterlingsflügeln zu tun und warum ist Mara eine defekte Seele? Antworten erhaltet ihr auf den 1000 Seiten Leseerlebnis.

Eine derartige Welt wie in „Kernstaub“ zu erschaffen, erfordert auch sehr viel Mut, wie ich finde. Wenn ich an meine eigenen Kurzgeschichten oder Ideen denke, habe ich oft das Problem: „Ob die Leser das nicht albern finden würden?“ und genau dieser Gedankengang führt dann dazu, dass ich das komplette Word Dokument oftmals wieder lösche. Marie Graßhoff glaubt an sich selbst und ihre Visionen, was eine überzeugende Autorin definitiv auszeichnen sollte und dem Lesestoff eine ganz besondere Authentizität verleiht.


Ein Fazit - GENAU das sollen Bücher tun…


Bevor ich ein Buch zur Hand nehme, lese ich gerne Rezensionen von Fans auf der einen Seite, aber auch von scharfen Kritikern auf der anderen Seite. „Kernstaub“ wird von den meisten Lesern als großes Abenteuer wahrgenommen, das nicht nur mitreißt, sondern auch mit jedem geschriebenen Wort einlädt fortzufahren. Ihr kennt das sicher. Abends liegt man hundemüde im Bett und will nur mal schnell ein paar Seiten vor dem Einschlafen lesen und prompt ist es 03:00 Uhr in der Früh. GENAU das machen gute Bücher mit uns. Sie halten uns wach, sie quälen uns mit Fragen á la ‚Wie geht es weiter?‘ und sie lassen uns selbst in unserem beruflichen Alltag nicht los. Man freut sich richtiggehend auf die Schlafenszeit, um wieder ein kleines Stück in diese fiktive Welt einzutauchen und alles Andere einfach mal ruhen zu lassen. Meiner Meinung nach hat Marie Graßhoff genau das geschafft. Sie umgarnt den Leser, verführt ihn weiter in die Welt von „Kernstaub“ und all seinen Gefahren einzutauchen, die Charaktere näher kennen zu lernen und gemeinsam mit ihnen die Odyssee von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft hautnah mitzuerleben. Es ist definitiv eine Gabe derart bildlich schreiben zu können, dass man den „Kernstaub“ auf der eigenen Zunge schmecken kann.


Also liebe Marie, alles richtig gemacht. Verführt, gefesselt und abhängig gemacht –

und das um einige Längen charmanter als Mr. Grey ;)


Für alle Marie-Fans oder Freunde der Worte, die jetzt neugierig geworden sind, „Kernstaub – Über den Staub an Schmetterlingsflügeln“ ist der erste Streich der Triologie. Auszüge aus dem zweiten Teil „Weltasche“ sind bereits kostenfrei im Internet zu lesen. Alle weiteren Infos findet ihr auf Marie Graßhoff’s Facebook Fanpage

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Kommentare: 2
  • #1

    Anja (Freitag, 10 April 2015 10:51)

    Danke für die Rezension, jetzt hab ich noch viel mehr Lust das Buch endlich mal zu lesen! :)

  • #2

    federleicht-texte (Freitag, 10 April 2015 11:43)

    Liebe Anja,

    ich freue mich sehr, dass ich deine Leselust steigern konnte! Für eine Auszeit vom realen Leben, bietet "Kernstaub" die beste Möglichkeit!

    Viel Spaß beim Lesen!

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